Spurensuche - in eigener Sache

Wie die eine oder der andere von Ihnen weiß, spätestens jetzt, wenn S i e oder er dies l[i]es[t]{en}, beschäftige ich mich immer wieder einmal, und nun seit geraumer Zeit intensiver, mit der "Autobiografie":
der [Auto]biografieforschung,
den Auto]biografien anderer berühmter Menschen, und
der "Lehre" vom Schreiben einer [Auto]Biografie.

Natürlich kommt dieses nicht von ungefähr.
Es beruht auf ungewöhnlichen Erfahrungen und Erlebnissen sowie Begegnungen, die mir den Weg in diese Richtung weisen. Daraus entwickelte sich schon vor Jahren der Wunsch, dem inneren Drang folgend, eine [Art] Familienchronik [zu] verfassen zu wollen.

Doch dies ist gar nicht so einfach.

Ist das Rück-Erinnern an bestimmte eigene wichtige Lebensstationen, Lebensphasen, Lebensepisoden schon schwer genug. Noch schwieriger ist, meines Erachtens, das Aufschreiben derselben.
Gerade das Abfassen einer Familienbiografie kommt mir um ein Vielfaches schwieriger vor.

Einerseits, weil es nicht nur die eigene Person ins Zentrum stellt, sondern andererseits eine ganze Gruppe, ja einen weit verzweigten Familienstamm von Menschen umfasst, von denen noch dazu wie bei der berühmten Pareto-Regel vier Fünftel bereits verstorben sind und das andere Fünftel zwar lebt, aber in alle Winde verstreut ist.
Wie also anfangen?
Wonach das umfängliche Familien[leben/-]werk gliedern? Mehr noch... wo und wie es ein- und begrenzen?
Aus welcher Perspektive aufschreiben?

Sich zuerst und zunächst
...auf das Frauen-Leben[släufe] in der Familie konzentrieren?
...auf die Kinder?
...das Schicksal der Männer?
...die Berufs- und Arbeitswege in den Mittelpunkt rücken?
...alles an schicksalhaften Ereignissen, Begegnungen und Verstrickungen aufhängen?
...das Unaussprechliche, die Familienmythen, die Tabus, die Traumata aufschreiben?
...von den [Über]Lebenden ausgehend rückwärtsgewandt erzählen? Also...
...von der zukünftigen über die gegenwärtige in die vergangene Generation blickend erzählen?
...vom Heute zum Gestern?
...von der "what-if"-Frage ausgehend? Was wäre passiert, wenn es nicht die großen Welt und Familie verändernden - ver-zer-störenden - Ereignisse gegeben hätte?

Was aus den bekannten Familienerzählungen ist wahr?
Was er- oder hinzu gedichtet?
Was geschönt? Oder beschönigend von Tante zu Tante, von Onkel zu Onkel, von den Großeltern an die Enkel weiter erzählt worden?
Was wurde ausgespart?
Was ausschmückend hinzu gedacht?
Was wird bis dato verschwiegen?

Welches sind die Familienthemen, die von Generation zu Generation weiter gegeben oder weiter ge-ver-schwiegen werden?
Welches ist die dominierende [berufliche und/oder gesellschaftliche] Sozialisation [gewesen]?
Woher kommen die Talente?
Welche Talente und Fähigkeiten, welche Eigenschaften sind besonders augenfällig?
Zwischen welchen Familienzweigen/-mitgliedern bestehen besonders innige Verbindungen und warum? In welcher Form steht man sich hier nahe?
Wer waren/sind die schwarzen Schafe? Gibt es die?

Welche Ereignisse ziehen sich wie ein roter Faden durch alle Generationen?
Was wird jedes Mal aufs Neue durch-lebt, er-lebt, vollzogen oder nicht vollzogen?
Aus welchen Kraftquellen speist man sich, seine Energie, v.a. in schwierigen Lebenslagen?
Wie ging es weiter nach erlittenen Niederlagen und Katastrophen?
Wie wu[e]rden freudige Ereignisse gefeiert?
Welche Familienrituale wu[e]rden gepflegt?
Wer hielt in welcher Generation die Familie zusammen?
Wer hat sich von der Familie abgeseilt oder zurück gezogen? Was mögen die Gründe gewesen sein?

Sie sehen, Fragen über Fragen, die es erstmal zu strukturieren gilt, bevor unsereine loslegen kann.

Falls Ihnen nun die Frage auf der Zunge liegt:
Warum wollen Sie sich das "antun"?

Möglicherweise weil es meine "unsichtbare" [Familien]Rolle ist, die [Familien]Chronistin zu sein werden !?

Gespräche mit der jüngeren Familiengeneration, also den Nachgeborenen der nächsten und sogar übernächsten Generation machten mir erst dieser Tage wieder deutlich, wie wenig über das eine oder das andere im Familienkreis bekannt ist. Beinahe komme ich mir schon vor wie der verstorbene Großvater oder die längst verwesten Tanten, an deren Lippen wir - als Kinder - früher hingen, wenn sie die Familien-Anekdoten zum besten gaben. Dadurch, dass ich bereits seit Anfang der Nuller Jahre Familiengenealogie betreibe, auch schon auf Spurensuche in anderen Ländern war, in Grabreihen verwachsener Friedhöfe und in alten Kirchenbüchern nach den Ahnen suchte, um den Wurzeln der Familie nachzuspüren, sie im wahrsten Sinne des Wortes auszugraben, hat sich doch sehr viel Wissen [um die Familie] in mir angesammelt.

Durch die Gespräche mit der Familiengeneration vor mir, erfahre ich, wie belastend Familiengeschichte im hohen Alter werden kann, wenn Familienerlebnisse, wenn Geschehnisse und [auch geschichtliche und gesellschaftliche] Ereignisse nicht genug zu Lebzeiten der Familienmitglieder reflektiert wu[e]rden. Im engsten Kreis erlebe ich, wie dies zur Belastung der gesamten Familie werden kann.
Einfach, weil wir vieles nicht wissen, nicht re-konstruieren können, nur mutmaßen, spekulieren können. Gewisse Medienberichte wühlen dann die alte Generation - also die der Väter und Mütter - eher auf, als dass sie sie beruhigen, da geschehenes Unrecht nicht mehr gut gemacht werden kann. Daraus ergeben sich mit der betroffenen [A]elter[e]n-Generation Gespräche in sog. Endlos-Schleifen, die zu nichts führen, außer zu Frust und Belastung und dadurch zu einer erheblichen Minderung der Lebensqualität der "Alten".

Vielleicht bringt das Aufschreiben Ruhe in die aufgewühlten Gemüter, frage ich mich?
Vielleicht trägt es einst in ferner Zukunft dazu bei, die Fragen derer, die heute auf Stützrädern ums Hauseck fahren, zu erhellen!?

Wer weiß!?
Weil so viel noch im Dunkeln und im Nebulösen liegt, ordne ich das in Wi[e]der[W]orte 2 der Rubrik "Nachtkantine" zu.
Diese Rubrik gab es auch im Vorgängerblock Wi[e]der[W]orte. Dort war es noch die rein fiktionale Auseinandersetzung, die ich in Skizzen, Stimmungsbildern oder kurzen Szenen beschrieb.
Hier plane ich nun die Fortsetzung der Spurensuche, auch wenn nicht alles, sondern nur ausgewählte Auszüge, schemenhaft und ggf. wieder in bewährter Form der Skizze, einer Szene, dem Stimmungsbild oder einer Anekdote zur Veröffentlichung kommen werden.

Wer mag, kann gern seine Gedanken dazu hier niederschreiben. Vielleicht findet sich sogar ein[e] Leser[in], die bereits das Schreiben einer Familienchronik hinter sich gebracht oder wie ich mitten am Anfang stehen oder gerade mittendrin stecken. Dann freue ich mich auch über eine Kontaktaufnahme via E-mail und über den Gedankenaustausch an anderer Stelle.

Ein kleiner Nachtrag (um 18Uhr10) zu meinem heutigen Eintrag:
Die von mir sehr geschätzte Eugenie Faust hat noch auf ein recht interessantes Sachbuch hingewiesen, das Anne Ancelin Schützenberger, eine französische Psychoanalytikerin bereits vor Jahren schrieb.

Bereits im Jahr 2005 bin ich darauf gestoßen, habe es eigens bestellt und nicht nur gelesen, sondern wie Sie im Foto unschwer erkennen können, richtig aktiv durchgearbeitet

Ich halte das Buch immer noch für eines der lesenswertesten Sachbücher für alle, die sich näher mit ihren Ahnen befassen wollen.
Es handelt davon, wie [v.a. traumatische] Ereignisse im familiären Unterbewußtsein über Jahrhunderte hinweg von Generation zu Generation weiter gegeben werden, wie auch Wissen und Erfahrungen transgenerational weiter gereicht, "vererbt", werden.
Im zweiten Teil des Buches (ab Kap. 8) wird zudem sehr verständlich erläutert, wie ein sog. Genosoziogramm angelegt wird, also ein Familienstammbaum, in dem auch wichtige Familienereignisse und Krankheiten eingetragen werden können. Außerdem sind zahlreiche Fallstudien mit vereinfachten Genosziogrammen aufgeführt.
Mich hatte damals, als ich es bestellte, v.a. diese transgenerationale Methode, also die Ausführungen der Autorin, zur transgenerationalen Weitergabe von Ereignissen im familiären Unterbewußtsein und wie die ihre Wirkungen dann in den gegenwärtigen Generationen entfalten [können, nicht müssen!] interessiert.
Ein auch für Laien sehr verständliches und leicht lesbares Sachbuch!
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